Presse-Archiv 2014
HNA vom 23.09.2014
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Rotenburg/Bebra>
Besuch der alten Damen
Besuch der alten Damen
Bebra. Beim Bahnhofsfest am Samstag, 27. September, in Bebra, haben sich in den vergangenen Tagen einige Änderungen ergeben, wie Patrick Rehn, Organisator des im Auftrag der Stadt Bebra ausgerichteten Festes erläutert.
Zwei der drei historischen Elektrolokomotiven aus dem DB Museum Koblenz: links die blaue E 10 348, die an der Fahrzeugausstellung teilnimmt, rechts die E 40 128, die die Bahnhofs-Rundfahrten bestreitet. Foto: privat |
Ein Einsatz des vorgesehenen Schienenbusses für die Bahnhofs-Rundfahrten ist zwar nicht möglich. Der kurzfristig organisierte Ersatz könne sich aber mehr als sehen lassen, erklärt Rehn: „Die BSW-Gruppe zur Erhaltung historischer Schienenfahrzeuge aus Koblenz unterstützt uns kurzfristig durch den Einsatz einer historischen Güterzug-Elektrolok der Baureihe E 40, von der die Deutsche Bundesbahn ab Mitte der 1950er insgesamt fast 900 Exemplare besaß.“
Baureihe unverwüstlich
Dass die Baureihe unverwüstlich sei, werde daran deutlich, dass auch heute noch etwa 40 Loks dieses früher allgegenwärtigen Typs im Einsatz seien. Hinter der Lok werden zwei historische Abteilwagen in dunkelgrün-beiger Lackierung zum Einsatz kommen, die das Bild der Deutschen Bundesbahn ebenfalls über Jahrzehnte hinweg geprägt haben.
„Vermutlich jeder, der vor 20 oder 30 Jahren mit dem Zug unterwegs war kennt diese Klassiker.“ Die Wagen haben separate Abteile für sechs Personen und Fenster zum Öffnen.
Ebenfalls aus Koblenz nach Bebra werden zwei Loks mitkommen, die den Personenverkehr über Jahre hinweg, nicht nur in und um Bebra, dominiert haben: zum einen die Schnellzuglok E 10 348 und die Nahverkehrslok E 41 001, die als erste ihrer Baureihe 1956 von Henschel in Kassel gebaut wurde.
Zum anderen stehen ein moderner Doppelstockzug von DB Regio und zwei moderne Güterzuglokomotiven am Gleis 5 und warten darauf, von den Besuchern in Augenschein genommen zu werden. „Bis auf die Lok des Doppelstockzugs sind alle Fahrzeuge für die Besucher zugänglich, sodass jedermann einen Blick auf den Führerstand einer Lok und auch in die modernen Doppelstockwagen werfen kann.“
Im Inselgebäude werden zudem Modellbahnanlagen von zwei Vereinen, den Hersfelder Eisenbahnfreunden und dem Modellbahnclub Fulda präsentiert, am Bahnsteig werden zugunsten des Spielkreises „Kleine Biber“ aus Bebra Waffeln und Kaffee verkauft.
Innenstadtoffensive
Das Fest findet im Zuge der Innenstadtoffensive „Zurück in die Mitte statt“. Nebenbei kann man sich ansehen, wie weit die Bauarbeiten am Bahnhof schon gediehen sind. Er wird zurzeit für rund zehn Millionen Euro modernisiert und barrierefrei gestaltet. (red/ank)
HNA vom 10.09.2014
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Hofgeismar>
Carlsbahntunnel ist ab Samstag für Radfahrer und Wanderer geöffnet
Carlsbahntunnel ist ab Samstag für Radfahrer und Wanderer geöffnet
Deisel. Jahrzehntelanges Warten hat ein Ende: Ab Samstag ist der 1970 stillgelegte Carlsbahntunnel bei Deisel wieder für den Verkehr freigegeben - diesmal allerdings nicht für Züge, sondern für Fußgänger und Radfahrer. Nach langen Verhandlungen über Genehmigungen und Finanzierungen wird der Tunnel von Landrat Uwe Schmidt und dem Kreisausschuss des Landkreises Kassel zum Wochenende freigegeben.
Fast beendet: Die Arbeiten zur Sanierung des Bahntunnels bei Deisel gehen zu Ende. Ab Samstag sollen Wanderer und Radfahrer ihn passieren können. Dazu wurde eine neue Beleuchtung in Kniehöhe installiert und ein glatter Bodenbelag eingebracht. Archivfotos: Thiele |
Die Durchfahrbarkeit des Tunnels dient auch der Steigerung der Attraktivität des hessischen Fernradweges R4, teilte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) am Montag mit. Sie beteiligte sich mit 50.000 Euro an der Mauerwerkssanierung, wie auch an weiteren 150 Projekten in Hessen.
Mauerwerksverschiebungen an der Ostseite am Übergang der Seitenwand zum Gewölbebogen und weitere Schäden führten zur statischen Gefährdung im Mittelteil des Tunnels. An der Ostwand bestand nach DSD-Angaben akute Einsturzgefahr des technischen Denkmals, das nun nach der Gesamtinstandsetzung der Tunnelröhre wiedereröffnet werden kann.
Der Bau der „Carlsbahn“ als erstem Abschnitt der Kurhessischen Eisenbahn der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn-Gesellschaft begann 1845. Eingeweiht wurde die wichtige Verbindung von Kassel nach Karlshafen an der Weser drei Jahre später. Eigens für die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn baute die Firma Henschel in Kassel den „Drachen“. Die dort entwickelte Dampflokomotive war die erste hessische Eisenbahn und durchfuhr den Kesselberg durch Hessens ersten, den Deiseler Tunnel.
Das Bauwerk zwischen Trendelburg und Wülmersen ist sechs Meter hoch. Es gründet auf gewachsenem Sandsteinfelsen und wurde aus Ziegel- und Natursteinmauerwerk erbaut. Die senkrechten Wandbereiche verblendete man mit Natursteinen. Auch die Tunnelportale wurden in Mischbauweise erbaut, der das Südportal besteht aus Natursteinen, der des Nordportals aus Ziegelmauerwerk.
Die Linie wurde 1966 für den Personenverkehr und 1970 für den Güterverkehr stillgelegt. Als älteste ihrer Art besitzt sie besondere Bedeutung für die Verkehrs- und Eisenbahngeschichte Hessens.
(eg/tty)
HNA vom 02.09.2014
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Kassel>
Mit Munition fing es 1889 an
Mit Munition fing es 1889 an
Düsseldorf / Kassel. Heute vor genau 125 Jahren, am 3. September 1889, nahm der Munitionshersteller „Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik Actiengesellschaft“ in Düsseldorf den Betrieb auf. Das war die Geburtsstunde des heutigen Wehrtechnik- und Autozuliefererkonzerns Rheinmetall, der in Kassel zwei Werke mit insgesamt fast 900 Mitarbeitern betreibt.
Panzerbau heute: Neben Boxer (Foto) und Fuchs baut Rheinmetall in Kassel eine Reihe weiterer Panzer und gepanzerter Fahrzeuge. |
Dabei sind die Kasseler Aktivitäten weit älter als die des Mutterkonzerns. Denn das Geschäft in Nordhessen geht auf das Traditionsunternehmen Henschel zurück. 1795 wurde Georg Christian Carl Henschel vom Landgrafen zu Kassel zum alleinigen Gießer für Kanonenrohre bestellt. Das war der Beginn einer mehr als 200-jährigen Industriegeschichte.
Seit 1999 in Kassel
Das Werk Mittelfeld, in dem Rheinmetall heute sitzt, entstand 1917, nachdem Henschel einen staatlichen Auftrag zur Herstellung von Geschützen erhalten hatte. Über Rheinstahl, ThyssenKrupp und Kuka kam der Kasseler Panzerbau 1999 schließlich zum Rheinmetall-Konzern.
Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wuchs Rheinmetall zum zweitgrößten Hersteller von Geschützen und Munition für Heer und Marine im Deutschen Reich heran. Nach 1918 stellte das Unternehmen auf zivile Güter um: unter anderem auf Loks, Dampfpflüge und Büromaschinen. Drei Jahre später nahm das Unternehmen auch wieder die Rüstungsproduktion auf und geriet ab 1933 unter vollständigen Einfluss der Nazis. Im Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Produktionsstätten zerstört. Nach Kriegsende fertigte Rheinmetall zunächst zivile Güter, ab 1956 auf Wunsch der damaligen Bundesrepublik auch wieder militärisches Gerät, zunächst hauptsächlich Handfeuerwaffen wie das MG 42 und MG 3 sowie eine 20-mm-Kanone. 1964 schließlich wurde der Geschützbau reaktiviert. Ein Meilenstein ist die 120-mm-Glattrohrkanone für den schweren Kampfpanzer Leopard 2, die noch heute produziert wird – unter anderem von den USA, wo sie General Dynamics in Lizenz herstellt. Sie gilt als weltweit bestes und zuverlässigstes Geschütz.
Weitere wichtige militärische Produkte sind die hochgeschützten Transportpanzer Fuchs und Boxer, ABC-Panzer, der Schützenpanzer Puma, Berge- und Pionierpanzer, das Flugabwehrsystem Mantis, Feuerleitsysteme, das Infanteriesystem Gladius, das als modernste Soldatenausstattung weltweit gilt.
In den 1960er-Jahren verstärkte Rheinmetall seine zivile Sparte. 1986 und 1997 übernahmen die Düsseldorfer die Autozulieferer Pierburg und Kolbenschmidt, die die Kernstücke der Automotive-Sparte KSPG bilden. Produziert werden unter anderem Nutzfahrzeug- und Großkolben, Zylinderkurbelgehäuse und -köpfe, Gleitlager, Strukturbauteile aus Aluminium, Systeme zur Schadstoffreduzierung, Ventile, Öl-, Wasser- und Vakuumpumpen. Der Rheinmetall-Konzern ist in 130 Ländern der Welt vertreten.
Von José Pinto
HNA vom 25.07.2014
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Kassel>
Henschel und die Atombombe: Es blieb bei den Plänen
Henschel und die Atombombe: Es blieb bei den Plänen
Kassel. Mindestens zwei Exemplare des 260-seitigen Dossiers über die Anwendungsmöglichkeiten der Kernphysik bei Henschel sind bekannt. Das geht aus überlieferten Dankschreiben an den bis 1957 amtierenden Firmen-Chef Oscar R. Henschel hervor.
© dpa Bei Henschel produziert: Die Aufnahme zeigt eine Kolonne von Tiger-Panzern auf dem Weg an die Ostfront. |
Unterschrieben sind die Briefe von Prof. Otto Hahn, dem Entdecker der Kernspaltung und Nobelpreisträger sowie von dem Braunschweiger Triebwerkskonstrukteur Prof. Otto Lutz. Über welche Umwege einer der Bände mit dem Titel „Kernphysik - Techn. Stand und Anwendungsmöglichkeiten“ (1941) jetzt nach Kassel gekommen ist, ist nicht bekannt. Es gibt jedenfalls Verhandlungen zwischen dem Vorstand des ehrenamtlich betriebenen Henschel-Museums und einem Kasseler Mittelsmann über einen Ankauf. Das bestätigt der Vorsitzende Achim Wickmann.
Spätestens seit dem 2005 veröffentlichten Buch „Hitlers Bombe“ des Berliner Historikers Rainer Karlsch ist bekannt, dass es auf vielen Ebenen in Hitlers Deutschland Bestrebungen gab, die Bombe zu bauen. Die Grundlage dafür lieferte Otto Hahns Entdeckung der Kernspaltung 1938. In Deutschland hatte das Heereswaffenamt schon 1939 den „Uranverein“ mit zahlreichen namhaften Kernphysikern gegründet. Darunter war der Leipziger Professor Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, der Bruder des späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
Panzer und Loks
Weder diese Wissenschaftler noch die Fachleute der großen Firmen wie Siemens oder auch Henschel sind über Vorüberlegungen und überschaubare Experiment hinausgekommen. Es habe weder einen funktionierenden deutschen Atomreaktor noch Atomwaffentests gegeben, stellte der renommierte Wissenschaftshistoriker Armin Herrmann in einem Spiegel-Interview fest.
Chef abgesetzt
© Privat Als Firmenchef von den Nazis abgesetzt: Oscar R. Henschel. |
Auch bei Henschel ist es bei dem Dossier geblieben. Die Kosten für Experimente als Vorstufe zum Bau einer Atombombe werden zwar mit zehn Millionen Reichsmark konkret angegeben. Als Firmenchef Oscar R. Henschel 1942 von der NS-Gauleitung abgesetzt wurde, war davon aber längst keine Rede mehr. Bei Henschel konzentrierte man sich auf die konventionelle Rüstung. Hier wurden unter anderem tausende von Panzern, Flugabwehrraketen, Kampfflugzeuge (in Berlin), Lokomotiven und Lkw für den Nachschub an die Front hergestellt. Jeder zehnte Flugzeugmotor in Nazi-Deutschland kam aus dem Werk in Altenbauna.
Darüber, was der Einsatz der Atomenergie bedeuten würde, waren sich die Verfasser des Henschel-Dossiers erschreckend klar. „Geradezu phantastische Auswirkungen hat die neue Energiegewinnungsart für die Probleme der Rüstung“, ist dort unzweideutig zu lesen. Von Skrupeln ist keine Rede.
Von Thomas Siemon
HNA vom 24.07.2014
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Kassel>
Schriftsatz aufgetaucht: Henschel wollte Atombombe für den Kriegseinsatz bauen
Schriftsatz aufgetaucht: Henschel wollte Atombombe für den Kriegseinsatz bauen
Kassel. 1945 sorgten die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki für zehntausende von Opfern und furchbare Zerstörungen. Bereits vier Jahre zuvor gab es bei der Kasseler Firma Henschel konkrete Überlegungen für den Bau einer Nuklearwaffe. Das belegt ein Schriftsatz aus dem Jahr 1941, der jetzt aufgetaucht ist.
Er hat 260 Seiten und liegt der HNA vor.
Mit ganzer Kraft müsse an der Erforschung der Kettenreaktionsvorgänge gearbeitet werden, heißt es da. Zwar wird auch die Nutzung der Atomenergie für den Antrieb von Kampfflugzeugen, U-Booten, die Medizin und zur Stromerzeugung erwähnt. Das klare Ziel der Entwicklung ist aber die „Herstellung einer Uran-Bombe für den jetzigen europäischen Krieg als furchtbarste Waffe“.
An der Echtheit der handgebundenen Dokumente besteht kein Zweifel. Helmut Weich, der ehrenamtliche Leiter des Kasseler Henschel-Museums, hat die erwähnten Namen und Örtlichkeiten überprüft. Demnach hat der damalige Chefentwickler der Henschel-Flugzeugwerke in Berlin-Schönfeld, Professor Herbert Wagner, das umfangreiche Dossier mit Unterstützung von weiteren Fachleuten erstellt.
Henschel war damals nicht die einzige Firma, die sich intensiv mit den Möglichkeiten der Atomenergie beschäftigte. Auch Siemens, die IG Farben und Degussa hatten großes Interesse an diesem Thema.
Bekannt ist, dass eine Delegation von Henschel in Paris war, um sich dort über die Forschung zur Kernspaltung mit einem sogenannten Zyklotron zu informieren. Nach Einschätzung von Fachleuten waren weder Henschel noch die anderen Firmen in der Lage, die Bombe wirklich zu bauen. Nach dem Krieg sprachen alle Beteiligten davon, lediglich Grundlagenforschung betrieben zu haben.
Von Thomas Siemon
HNA vom 22.07.2014
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Kassel>
Getriebe für schwierige Aufgaben: Henschel GmbH liebt Kniffliges
Getriebe für schwierige Aufgaben: Henschel GmbH liebt Kniffliges
Kassel. Die Spezialgetriebe, die das Traditionsunternehmen Henschel unlängst gebaut hat, sind fast so groß wie Kleinwagen. Künftig werden sie rund um die Uhr im 24 Tonnen schweren Fünfer-Pack die Winden von Öl- und Gasbohrtürmen antreiben, die das Gestänge immer wieder hinaufziehen oder herunterlassen.
© Koch, Lothar Präzisionsarbeit an komplexen Bauteilen: Verzahnungstechniker Ulli Mischke beim Einmessen. |
Weil sie weltweit zum Einsatz kommen, müssen sie 60 Grad Hitze genauso vertragen wie 60 Grad Frost. Und noch viel wichtiger: Sie sind so konstruiert, dass niemals ein Funken entsteht, damit den Bohrteams nicht irgendwann die ganze Anlage um die Ohren fliegt.
Das kann nicht jeder. Aber genau diese anspruchsvollen Produkte, die die Henschelaner planen und mit einer fast beispiellosen Fertigungstiefe nahezu vollständig selbst herstellen, sind es, die den geschäftsführenden Gesellschafter, Matthias Henke, und dessen Spezialistenteam reizen. „In diesen Nischen, die innovative Konzepte erfordern, fühlen wir uns wohl“, sagt der Chef, der 1991 als junger Maschinenbau-Ingenieur zu ThyssenHenschel kam und die Antriebstechnik 2006 übernahm.
Getriebe für Kühlwasserpumpen für ein chinesisches Atomkraftwerk, für Prüfständer der Formel-1-Rennställe sowie für den Flugzeugbauer Airbus mit bis zu 70.000 Umdrehungen in der Minute - immer wenn es knifflig wird, sind Kasseler Sondergetriebe von Henschel gefragt.
20 Prozent vom Jahresumsatz von zuletzt 33 Millionen Euro steuert dieser Produktbereich bei, der Extruder-Getriebebau 25, Radsätze sieben und der Bereich Dienstleistung mit Reparatur, Härten, Prüfen und Kalibrieren von Komponenten acht Prozent. (Extruder werden für die Herstellung von Kunststoffprofilen benötigt.)
Größte Sparte ist aber mit einem Umsatzanteil von 40 Prozent der Bau von Getrieben und Achsen für Trams, Loks und Hochgeschwindigkeitstriebköpfe. Deren Verwendung ist ebenso vielfältig wie die Kundenliste: S-Bahnen in Italien und den Niederlanden, Frachtloks in Polen, Schnellzüge für Saudi-Arabien, ICE-T-Hochgeschwindigkeitsneigezüge und die modernen russischen Loks, die Moskau mit dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele Sotschi verbinden. 60 Prozent der Produkte gehen in den Export.
Das Unternehmen wächst schnell und investiert. Derzeit wird die gesamte Produktion für vier Mio. Euro umgekrempelt und modernisiert. Die Investition stemmt Henschel aus eigener Kraft. Die größte seit Jahrzehnten. Das geht nur, weil es brummt. „Die Geschäfte laufen gut“, sagt der technik-verliebte Unternehmer. Warum? „Weil die Kunden wissen, was sie von uns bekommen: hohe Qualität zum vereinbarten Zeitpunkt. Und das garantieren wir, weil wir fast alles selbst machen“, erklärt Henke. Dass er seine Produkte nach der Auslieferung nie wieder zu Gesicht bekommt, stimmt ihn nicht traurig.
Im Gegenteil, sagte er: „Das ist doch toll, wenn sie ewig halten.“
Von José Pinto
HNA vom 23.06.2014
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Made in Kassel: Henschel-Andromaten in brenzligen Einsätzen
Made in Kassel: Henschel-Andromaten weltweit in brenzligen Einsätzen
Kassel. Die Andromaten der Kasseler Henschel Industrietechnik GmbH sind ganze Kerle. Wo sie zum Einsatz kommen, brennt im wahrsten Wortsinn die staubige Luft. Denn die auch Manipulatoren genannten teilautomatisierten Handhabungssysteme verrichten ihren harten Job in Gießereien, Schmieden und Stahlwerken.
© HNA/Schachtschneider Spezialist bei der Arbeit: Romuald Staszak gehört zum Henschel-Industrietechnik-Team. Unser Foto zeigt ihn bei der Montage eines Andromaten. |
Spezialist bei der Arbeit: Romuald Staszak gehört zum Henschel-Industrietechnik-Team. Unser Foto zeigt ihn bei der Montage eines Andromaten.
Dort werden mit den Bagger-ähnlichen, meist mit einem Greifwerkzeug ausgestatteten Geräten zum Teil noch rotglühende, bis zu fünf Tonnen schwere Werkstücke wie Gussteile für Windkraftanlagen, Maschinen- und Schmiedeteile sowie Motor- und Getriebegehäuse gehalten, gehoben, aufgehängt, geschliffen, entgratet und, und, und. Sie nehmen dem Menschen unzumutbare und gesundheitsgefährdende, aber unumgängliche Arbeiten in extrem heißer und zum Teil toxischer Umgebung ab.
Gesteuert werden die Greifspezialisten von Menschen, die in schallisolierten, belüfteten und klimatisierten Kabinen sitzen. Dabei können sie die Geräte ebenso hart wie feinfühlig zupacken lassen. In einem Werbefilm schließt ein Henschelaner mit einem klobigen Greifwerkzeug eine Zündholzschachtel, ohne sie zu beschädigen.
Die Henschel Industrietechnik bedient einen Nischenmarkt und ist mit ihren 45 Mitarbeitern Weltmarktführer. Nach Angaben von Mitgeschäftsführer Reinhard Vogel gibt es lediglich einen größeren Mitbewerber in Schottland und eine Handvoll kleiner. 15 bis 25 bis zu einer halben Million Euro teure Systeme in verschiedenen Größen und Ausführungen verkaufen die Kasseler im Jahr. Einschließlich Reparatur und Service, der mittlerweile die Hälfte zum Zehn-Millionen-Euro-Jahresumsatz beiträgt. Der Service ist umso wichtiger, wenn die Anlagen in die Jahre gekommen sind. Nicht selten laufen die Andromaten aus Kassel 30 Jahre und länger. Eine der ältesten Anlagen versieht ihren Dienst in einer Schmiede in Frankreich. Sie wurde Ende der 70er-Jahre ausgeliefert.
Die Manipulatoren aus dem Werk Mittelfeld sind weltweit im Einsatz, bei allen namhaften Autobauern in Europa, Fernost, Brasilien, den USA und Südafrika. Vertrieben werden sie von elf Vertretungen. Eine Spezialität ist ein Andromat, der eine Schleifmaschine zur aufwendigen Bearbeitung von riesigen Schiffsschrauben führt. Die Henschel-Profis bauen die Systeme beim Kunden auf, nehmen sie in Betrieb, liefern die Ersatzteile und reisen auch zur Reparatur an, wenn es gewünscht wird. Henschel-Industrietechnik-Mitarbeiter sehen viel von der Welt.
Die Geschäfte laufen nach der Krise wieder gut. „Wir haben ordentlich zu tun“, sagt Vogel. Die Kunden wüssten die Henschel-Qualität zu schätzen. Er führt das kleine Unternehmen mit Peter Vey, einem von zwei Gesellschaftern der Frankfurter VF Capital, der Muttergesellschaft der Henschel-Industrietechnik. VF Capital war 2006 eingestiegen.
Von José Pinto
HNA vom 15.06.2014
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Kassel>
Hier lebt Henschel weiter
Museum in Rothenditmold zeigt Technik- und Familiengeschichte aus 200 Jahren
Hier lebt Henschel weiter
Kassel. Hier ist alles original. Das Henschel-Museum an der Wolfhager Straße befindet sich in einem ehemaligen Verwaltungsbau des Unternehmens am Henschel-Standort Rothenditmold. Fast alle, die hier ehrenamtlich mitarbeiten, waren früher bei dem Kasseler Traditionsunternehmen beschäftigt. Nach zehn Jahren Vorlauf haben sie jetzt ein richtiges Museum mit einem attraktiven Rundgang für die Besucher auf die Beine gestellt.
Tradition aus Kassel: Der Lokomotivbau gehörte zu den wichtigsten Standbeinen der Firmengeschichte von Henschel. Im ausgebauten Museum ist auch dieses große Modell zu sehen, das Werner Hofmann in Augenschein nimmt. Fotos: Siemon |
„Wir haben über 2000 Exponate zu bieten, darunter jetzt auch zwei Sessel aus dem Haus Henschel, das auf dem Weinberg stand“, sagt Helmut Weich. Der Technikvorstand des Vereins und Leiter des Museums freut sich besonders, dass der Sohn des letzten Henschel-Chefs, Werner P. Henschel, den Ausbau des Museums mit einer Spende unterstützt hat.
Mit Glocken und Kanonen fing vor gut 200 Jahren die Firmengeschichte von Henschel in Kassel an. Von der ersten Lokomotive, dem Drache, bis zur Teufelsbrücke im Bergpark von Werner Henschel sowie Modellen der Werke Mittelfeld und Rothenditmold gibt es an zwölf Stationen jede Menge zu sehen. Zu den vom Museum verwahrten Dokumenten gehören auch Briefe von Sophie Henschel, die eine der ersten deutschen Unternehmerinnen war. Als Stifterin hat sie unter anderem den Grundstock für das Rot-Kreuz-Krankenhaus gelegt.
An einer der Wände hängt die knallrote Motorhaube des bei Henschel produzierten Lkw HS 100, von den Lokomotiven gibt es Fotos und Modelle, der legendäre O-Bus ist ebenso zu sehen wie Büsten der Firmenchefs.
Mit einer kleinen Feierstunde soll auf das erweiterte Museum an Fronleichnam mit Freunden und Sponsoren angestoßen werden. Einen besseren Ort für die Feier als das Gießhaus der Universität hätte man nicht finden können. Mit diesem Gießhaus fing die Produktion bei Henschel an, das Uni-Gelände war Firmenstandort.
Eintritt frei
Bei zwei Tagen der offenen Tür können sich alle Henschel-Interessierten ein Bild vom neu gestalteten Museum machen. Am Samstag, 21. Juni, und Sonntag, 22. Juni, ist es von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Vorstand mit Peter Wiegelmann und Achim Wickmann an der Spitze hofft auf zahlreiche Besucher. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. „Wir können jeden Euro gebrauchen, denn es gibt noch jede Menge zu tun“, sagt Peter Wiegelmann.
Henschel-Museum, Wolfhager Straße 109, geöffnet an jedem ersten Wochenende im Monat und bei Führungen, Tel. 77 20 07.
Von Thomas Siemon
HNA vom 22.04.2014
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Lokales>
Kreis Kassel>
Aus Lungenheilstätte in Kaufungen wurde neues Zuhause
Aus Lungenheilstätte wurde neues Zuhause
Kaufungen. Dort, wo einst Tuberkulose-Patienten auf Heilung hofften, haben jetzt - über hundert Jahre später - 104 alte Menschen ein behütetes Zuhause gefunden.
© Privat 114 Jahre alt: Am 11. April 1900 wurde die Kaufunger Lungenheilstätte eröffnet. Unser Bild zeigt eine historische Aufnahme des DRK-Altenpflegeheims. |
Die ehemalige Lungenheilstätte am Rande des Naturparks Kaufunger Wald hat sich im Laufe der Zeit zu einem modernen geriatrischen Krankenhaus und Altenpflegeheim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) entwickelt, wo sich die Senioren sehr wohlfühlen. Es sei wie im Hotel, sind sich die Bewohnerinnen Irene Koch (89), Luise Lorenz (92), Irene Meyer (90) und Dora Schade (94) einig.
Unter Denkmalschutz
Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Bevor die Heilstätte im 19. Jahrhundert vom Vaterländischen Frauenverein errichtet wurde, musste ein geeigneter Platz gefunden werden. Aus Angst vor Ansteckung der Kaufunger Bürger wurde am Waldrand von Oberkaufungen gebaut. „Man entschied sich für die Genesung in Waldeslust und Stille, hoch über den Nebeln des Tales“, erläutert Heimleiter Stephan Kratzenberg.
Am 11. April 1900 wurde die Lungenheilstätte eröffnet. Die Kasseler Unternehmerin Sophie Henschel stiftete dem Haus in Gedenken an ihren Ehemann Oskar, der 1894 an einer Lungenentzündung starb, 400.000 Goldmark.
Man behandelte mit der Lufttherapie. In Liegehallen konnten die Patienten die frische Waldluft aufnehmen. Die Patienten waren nach Geschlechtern getrennt, so kam 1910 ein weiteres Haus für Frauen hinzu.
Am 13. März 1913 wurde die neu gebaute Kapelle eröffnet, deren Kosten von 45.194 Mark auch Sophie Henschel übernahm. 1938 übernahm das Rote Kreuz die Heilstätte.
Im Laufe der Jahre ging die Zahl der Tuberkulose-Erkrankten immer weiter zurück, sodass die Einrichtung Anfang der 1970er-Jahre geschlossen werden musste. Nach mehreren Umbauphasen wurde aus dem Männerhaus 1976 die DRK-Klinik, ein Spezialkrankenhaus für Nachsorge und Langzeitbehandlung mit 100 Betten. 1993 entstand daraus ein geriatrisches Krankenhaus.
Anfang der 1980er-Jahre wurde das Frauenhaus zum DRK-Altenpflegeheim umgebaut und im März 1984 in Betrieb genommen. „Das Haus war sehr modern, jedes Doppelzimmer hatte schon eine eigene Dusche und WC“, sagt Norbert Schwarzer, Verwaltungsleiter der Klinik. 1998 wurde die Wohnstube für Demenzkranke eingerichtet, wo die Betroffenen sich tagsüber aufhielten. Dies sei zwar ein Meilenstein gewesen, jedoch noch nicht optimal, sagt Kratzenberg.
Nach langen, speziell für Demenzerkrankte konzeptionierten Planungen entstand 2006 ein Neubau mit Platz für 40 Personen. 2009 wurde das Haus eröffnet.
Drei Jahre später begann der Umbau des Altbaus, der bis heute andauert. „In einem Jahr soll alles fertig sein“, erläutert der Heimleiter. Dann soll zum Beispiel das Dachgeschoss nicht mehr für Wohnräume, sondern unter anderem als Therapie- und Gästezimmer genutzt werden. Die Zahl der Bewohnerplätze reduziert sich von 104 auf 94.
HNA vom 14.04.2014
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Kassel>
Kassel: Neue Bombardier-Loks setzen weltweit Standard
Kasseler haben Nase vorn: Neue Bombardier-Loks setzen weltweit Standard
Kassel. In den weitläufigen Bombardier-Hallen im Werk Mittelfeld herrscht Aufbruchsstimmung. Nach einigen recht mageren Jahren in Folge sind die Beschäftigten derzeit dabei, die größte Lokfabrik Europas Schritt für Schritt vom Standby-Betrieb auf Auslastung hochzufahren.
© Zgoll Aufbruchsstimmung in den Bombardier-Hallen: Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die Mitarbeiter, z. B. Mechaniker wie Brian Rose, haben gut zu tun. |
Da werden Arbeitsplätze neu eingerichtet, Montagelinien umgebaut, Materialvorräte aufgefüllt und die Zeitarbeitskollegen eingearbeitet. „Bald steht hier alles voll“, sagt Werksleiter Stellen Riepe und zeigt auf die vielen leeren Montageplätze in den Hallen.
Nach den Boomjahren bis 2009, als die Kasseler Lokbauer in der Spitze bis zu 30 Loks im Monat montierten, dem massiven Auftragseinbruch und der langen Durststrecke danach mit dem Abbau von 150 festen Stellen kommt nun wieder Leben in die Bude. Wurden im vergangenen Jahr gerade einmal knapp 50 Loks montiert, sollen es 2014 und 2015 jeweils rund 100 mit Luft nach oben werden.
Das entspricht einer durchschnittlich guten Jahresproduktion. Neben einer Vielzahl privater und staatlicher Kunden im In- und Ausland ist es vor allem die Deutsche Bahn, die regelmäßig in Kassel ordert. Allein 450 Elektroloks der neuen AC-3-Generation sollen in den nächsten Jahren aus den Kasseler Hallen rollen – einer der größten Bahntechnik-Aufträge der Nachkriegszeit in Europa. Mit den 84 Tonnen schweren und 7600 PS starken Zugmaschinen setzen die Kasseler Lokprofis wie schon so oft technologisch neue Standards.
Der völlig neue Lokkasten kann mit wenigen Handgriffen mit Planen verkleidet werden. Das ist vor allem für Leasingfirmen interessant, die Loks bei einem Kundenwechsel nicht neu lackieren lassen müssen. Die Front ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff und kann ohne Veränderung der Sicherheitsarchitektur vergleichsweise preiswert individuell auf den Kunden abgestimmt werden. Die wichtigste Neuerung aber ist das sogenannte Last-Mile-Package.
Damit kann der Koloss mithilfe einer Batterie und eines kleinen Dieselaggregats, das Strom für den Elektro-Antrieb erzeugt, auf den letzten Kilometern auf nicht elektrifizierten Abschnitten mit gedrosselter Geschwindigkeit, aber voller Anfahrzugkraft die Ware bis ans Endziel bringen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn etwa Chemiezüge von den öffentlichen Strecken ins Betriebsgelände einfahren. In diesen Fällen muss die Zugmaschine einer Rangierlok weichen, was Zeit und Geld kostet.
Solch ein Produkt hat der Wettbewerb laut Riepe nicht. Das trifft im Übrigen auch auf die dieselelektrische Multi-Engine-Lok zu. Sie hat statt eines großen vier kleine Dieselmotoren, die den Strom zur Versorgung der Elektro-Antriebe an den Achsen produzieren. Je nach Tempo, Beanspruchung und Zuglast kommen ein bis vier Motoren zum Einsatz – vollautomatisch.
Die intelligente Elektronik weiß, wie viel Kraft gerade benötigt wird. Das spart Energie, verringert den Schadstoffausstoß und Lärm. „Mit unseren neuen Produkten sind wir wieder einmal die Vorreiter“, sagt Riepe.
Von José Pinto
Erste deutsche Lok und ICE I
1848 wurde die erste Lokomotive aus deutscher Tradition, der „Drache“, bei Henschel in Kassel gebaut. Damit haben die Nordhessen die längste Lokbautradition Deutschlands und eine der längsten in Europa. Bislang sind genau 35 014 Zugmaschinen aus den Kasseler Lokhallen gerollt. Das heutige Werk ist das größte seiner Art in Europa und zugleich weltweites Kompetenzzentrum im global tätigen kanadisch-deutschen Technologiekonzern Bombardier.
Der Bahntechnik- und Flugzeughersteller beschäftigt weltweit 76 400 Mitarbeiter, setzte 2013 rund 13,3 Milliarden Euro um, verdiente unterm Strich 444 Millionen Euro und sitzt auf einem Auftragspolster von fast 51 Mrd. Euro – das entspricht Arbeit für fast vier Jahre. Nach Umsatz und Beschäftigten sind die Luftfahrt- und die Bahntechniksparte nahezu gleichauf. Der Bahnbereich setzt mit 38 500 Beschäftigten in 36 Ländern 6,4 Mrd. Euro um.
In Deutschland arbeiten 8000 Menschen für Bombardier, davon 750 in Kassel. Das Werk in Nordhessen gehört seit 2001 zu Bombardier. Es ist zwar auf klassische Loks spezialisiert, kann aber auch Hochgeschwindigkeit. Unter anderem bauten die Kasseler die ICE-I-Triebköpfe, die auch weltweit zu den zuverlässigsten gehören und seit fast 30 Jahren im Einsatz sind, sowie den spanischen Superschnellzug AVE 102. (jop)
HNA vom 19.03.2014
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Funde bei Grimmwelt-Bauarbeiten: Schale liefert Hinweise auf Bombenangriff
Funde bei Grimmwelt-Bauarbeiten: Schale liefert Hinweise auf Bombenangriff
Kassel. Mit dieser Geflügelschere ist sicher keine schwere Weihnachtsgans zerteilt worden. Eher feineres Geflügel. Vielleicht wurden mit diesem filigranen Küchenwerkzeug für Sophie und Carl Anton Oskar Henschel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Wachteln oder Täubchen zerteilt.
Die Hälfte einer kleinen Geflügelschere gehört zu den Fundstücken, die auf der Baustelle für die Grimmwelt auf dem Weinberg entdeckt worden sind. Aus Anlass der Bauarbeiten hat die Stadt Kassel die archäologische Untersuchung des Areals in Auftrag gegeben. „Wir bauen hier ja nicht auf einer jungfräulichen Fläche“, sagte Oberbürgermeister Bertram Hilgen am Dienstag im Palais Bellevue (Brüder-Grimm-Museum) bei der Präsentation der Fundstücke. Vielmehr handele es sich um eine kulturhistorische und für die Stadtgeschichte bedeutende Fläche in exponierter Lage.
© Stadt Das größere Henschel-Haus (rechts) ließ Oskar Henschel bereits 1931 abreißen. Aus Wut über zu hohe Steuerforderungen. |
Bevor die Unternehmerfamilie Henschel 1868 ein erstes Grundstück auf dem Weinberg erwarb, um hier zunächst eine Villa zu bauen, waren hier Biergärten angelegt. Ein beliebter Treffpunkt für die Kasseler Bevölkerung. Unten im Weinberg wurde das Bier gekühlt, oben wurde es getrunken.
Spätestens als Anfang des 20. Jahrhunderts eine zweite Villa der Henschels (das Henschel-Haus) auf dem Weinberg gebaut wurde, waren die Grundstücke für die Öffentlichkeit tabu.
Wie die Familie Henschel hier gelebt hat und eingerichtet war, wird auch durch die jetzt 450 gefundenen Einzelteile, die zu etwa 180 Exponaten zusammengesetzt worden sind, deutlich. „Es gab eine gehobene Tischkultur“, sagte Archäologin Sabrina Liebetrau von der Fritzlarer Firma Erdreich. Neben der halben Geflügelschere wurden Fragmente von vergoldeten Kelchgläsern gefunden. Dieses Inventar stammt aus der 1945 – kurz vor Kriegsende – durch Bomben zerstörten kleineren Henschel-Villa (Foto oben, links). Die größere Villa (Henschel-Haus) hatte Oskar Henschel bereits 1931 abreißen lassen. Aus Wut über die steuerliche Belastung.
Hinweise auf Bombenangriff
© Schachtschneider
Sauciere der Unternehmerfamilie: Dieses Geschirr wurde jetzt gefunden. |
Hinweise auf den Bombenangriff liefern die Überreste von 14 Souffléschälchen. „Metallstücke sind mit einem Teil der Scherben verschmolzen“, sagt Liebetrau. Es wurden aber auch Zeugnisse dafür gefunden, dass die Henschel-Villa noch während des Zweiten Weltkriegs saniert beziehungsweise umgebaut wurde. Es wurden Bodenfliesen der Firma Villeroy & Boch ausgegraben, die auf 1939 datiert worden sind.
Susanne Völker, Projektleiterin der Grimmwelt, ist glücklich über die archäologische Begleitung des Museumsbaus. Ausgewählte Exponate der Henschelvilla vom Weinberg werden ab Mai in einer Sonderausstellung im Palais Bellevue gezeigt. Dort wird dann auch über den Baufortschritt zum neuen Grimm-Museum informiert.
Von Ulrike Pflüger-Scherb
HNA vom 22.02.2014
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Blick in Kasseler Geschichte: Henschel hat die Stadt geprägt
Werke Mittelfeld und Rothenditmold
Blick in die Kasseler Geschichte: Henschel hat die Stadt geprägt
Kassel. In Kassel gab es bis vor wenigen Jahren kaum eine Familie, die nicht irgendeine Verbindung zu Henschel hatte. Bis zu 14.500 Menschen arbeiteten in den Nachkriegsjahren „bi Henschel“, die Kasseler Industriegeschichte ist untrennbar mit Henschel verbunden.
Auf dem heutigen Universitätsgelände am Holländischen Platz hat die 1810 gegründete Firma ihre Wurzeln. Das alte Gießhaus wird bis heute für Veranstaltungen genutzt.
Mit dem rasanten Aufschwung des Lokomotivbaus entwickelte sich der Familienbetrieb zum Großkonzern. Die riesigen Hallen, die 1873 in Rothenditmold entstanden, sind teilweise bis heute erhalten. Die Hammerschmiede und die Kesselschmiede sind als Häuserfronten noch erkennbar. Mit dem Technikmuseum Kassel und dem Henschel-Museum gibt es neben Handwerkern, Künstlern und Musikern weitere Nutzer.
Das Werk Mittelfeld zwischen Rothenberg und Holländischer Straße gibt es seit 1918. Auf dem riesigen Gelände, das Platz für 120 Fußballfelder hätte, wurden im Ersten Weltkrieg erbeutete Geschütze von englischen, russischen und anderen Truppen aufgearbeitet und für das deutsche Heer an die verschiedenen Fronten transportiert. Nach dem Krieg musste Henschel die Anlagen verschrotten. Für den Lokomotivbau wurde die Kesselschmiede modernisiert, auch neue Werkstätten kamen hinzu.
Henschel stieg zum größten Lokomotivbauer Europas auf, baute aber auch Busse und Lastwagen. Ab 1924 versuchte man sich mit einer Abteilung Straßenbaumaschinen. Im Werk Mittelfeld wurden Dampfwalzen, Teerkocher, Teertankwagen sowie Wohn- und Gerätewagen gebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde Henschel zur Rüstungsschmiede. Trotz der zunehmenden Zerstörungen gingen die Produktionszahlen von Panzern bis 1944 ständig nach oben. Die Werksstandorte gehörten zu den vorrangigen Zielen der Bomberflotten.
Nach dem Wiederaufbau endete 1957 mit dem Rücktritt von Oscar Robert Henschel als Firmenchef die Familientradition. Nach einem kurzen Aufschwung mit bis zu 14.500 Mitarbeitern in den 1960er-Jahren begann der Niedergang von Henschel.
Die neuen Besitzer hießen Rheinstahl, Thyssen und Thyssen-Krupp. Ein Hoffnungsträger war bis vor wenigen Jahren der in Kassel entwickelte Transrapid. Die letzten 60 Mitarbeiter der Thyssen Transrapid System GmbH bekamen im März 2010 die Nachricht vom Aus für diese Technologie. Heute arbeiten auf dem Gelände des Werkes Mittelfeld rund 2300 Menschen in 40 Betrieben. Die größten sind Rheinmetall, Bombardier und Henschel Antriebstechnik. Hinzu kommen 3100 Beschäftigte im Daimler-Lkw-Achsenwerk. Das gehört schon seit 1969 nicht mehr zum jetzt verkauften Henschel-Paket.
Von Thomas Siemon
HNA vom 19.02.2014
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Werke Mittelfeld und Rothenditmold verkauft
Werke Mittelfeld und Rothenditmold verkauft
Kassel. Die traditionsreichen Kasseler Industriestandorte Mittelfeld und Rothenditmold haben den Besitzer gewechselt. Sie gehören jetzt den zwei in Berlin registrierten Immobilienfonds Alemory Grundstücks GmbH 43 und 44.
© Archivfoto Das Werk Mittelfeld von oben: Hauptmieter sind Bombardier, Rheinmetall, die Henschel-Antriebstechnik, Volkswagen und der Logistiker Rudolph. Das große Areal oben rechts gehört Daimler. |
Dahinter verbirgt sich der zypriotische Investor Grand City Property (GCP) LTD, der in Deutschland 23 000 Wohnungen sowie 100 Hotels betreibt – darunter auch die Kasseler Häuser Days Inn Hessenland an der Oberen Königsstraße, Tryp by Wyndham an der Erzbergerstraße und Wyndham Garden an der Heiligenröder Straße. Der Kaufpreis ist nicht bekannt.
Die etwa 40 Industriebetriebe und Dienstleister im Werk Mittelfeld sowie Logistiker, Vereine und Freischaffende in Rothenditmold hoffen darauf, dass die neuen Besitzer langfristige Interessen verfolgen. Angst vor Kündigung haben vor allem kleine Mieter, die großen wie Rheinmetall, Bombardier und Henschel Antriebstechnik fürchten dies nicht.
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Eine Hauptfigur des verschachtelten, undurchsichtigen Geflechts aus zahlreichen Einzel-, Regional- und Untergesellschaften ist Raanan Gabay. Er taucht immer wieder als Geschäftsführer und deutscher Niederlassungsleiter auf. GCP-Sprecherin Katrin Petersen erklärte auf Anfrage, Ziel sei es, dass sich die Mieter langfristig wohlfühlten. Veränderungen müssten sie nicht fürchten. Derzeit werde der Investitionsbedarf ermittelt. „Unsere Strategie ist langfristig. 90 Prozent der von uns erworbenen Immobilien befinden sich weiterhin in unserem Besitz“, sagte Petersen.
Bis zum Jahreswechsel gehörten die beiden ehemaligen Henschel-Industriestandorte mehrheitlich der Immobilien-Tochter der Deutschen Bank, Rreef. Sie hatte sie 2007 gemeinsam mit zwei Investoren von ThyssenKrupp übernommen. Besonders glücklich waren die Mieter mit diesen Besitzern nicht, denn Rreef hat nur das Nötigste in Gebäude und Infrastruktur investiert.
Von José Pinto