So kam Henschel zur Kunst

Veröffentlicht von Administrator am 30.11.2022

HNA vom 30. November 2022

Ehemalige Werksangehörige spenden und erinnern sich

 

Vor dem Henschelmuseum: Wolfgang Pigorsch (von links), Jürgen Wöhlert, Klaus Breul, Martha Enderlein, Helmut Weich, Johann Brix, Martin Lipsius, Lutz Schwendt und Hans-Georg Schallehn. FOTOS: THOMAS SIEMON
Vor dem Henschelmuseum: Wolfgang Pigorsch (von links), Jürgen Wöhlert, Klaus Breul, Martha Enderlein, Helmut Weich, Johann Brix, Martin Lipsius, Lutz Schwendt und Hans-Georg Schallehn. FOTOS: THOMAS SIEMON

VON THOMAS SIEMON


Kassel – Wie hat sich Henschel auf die documenta gemogelt? Die Geschichte ist lange her, aber manche erinnern sich noch. Zum Beispiel die Mitglieder des Henschel-Senioren-Clubs. Zusammen kommen sie locker auf 200 Jahre Betriebszugehörigkeit bei Henschel und den direkten Nachfolgefirmen wie Thyssen-Henschel. Im privaten Kreis halten sie die Erinnerung an den in früheren Jahren wichtigsten Arbeitgeber Kassels hoch. Ebenso wie das Henschel-Museum, das am ehemaligen Firmenstandort in Rothenditmold viele Schätze aus der Geschichte des Werks verwahrt. Im Museum gab es jetzt ein Treffen, bei dem der letzte Wunsch des verstorbenen langjährigen Vorsitzenden Richard Enderlein erfüllt werden sollte.

Für kurze Zeit auf der documenta 3: dieser Stahlblock von Henschel.
Für kurze Zeit auf der documenta 3: dieser Stahlblock von Henschel.

Weil der Club kaum noch Fahrten unternimmt, aber 3000 Euro dafür weiterhin in der Kasse waren, wurde das Geld jetzt für die Arbeit des Museums gespendet. Martha Enderlein, die Witwe des früheren Vorsitzenden, überreichte das Geld.
Beim Besuch des Museums gab es natürlich reichlich Gelegenheit, noch mal über alte Zeiten zu sprechen. Genügend Erfahrung war vor Ort. Unter anderem durch die früheren Leiter der Abteilungen für Lokomotivkonstruktion, technische Berechnung, Wehrtechnik, Sonderfahrzeugbau, die Telefon- und Sicherheitstechnik oder auch mit dem früheren Justiziar von Henschel.
Auch für Nicht-Henschelaner dürfte die Geschichte amüsant sein, mit der die Firma vor vielen Jahren zur documenta Schlagzeilen machte. Nein, nicht mit einem Kunstwerk. Obwohl der Henschel-Beitrag damals im Jahr 1964 als Skulptur hätte durchgehen können. Zur documenta 3 erlaubten sich Mitarbeiter der Hammerschmiede einen Scherz. Dort hatte sich ein großer Stahlblock, der als Gelenkteil für eine Raupe bestimmt war, unter dem Hammer verformt. Die Männer aus der Schmiede hatten eine Idee, polierten den Block auf Hochglanz und brachten ihn dann ganz früh am Morgen zur Gustav-Mahler-Treppe. Dort stand bereits documenta-Kunst. Unter dem vermeintlichen Künstlernamen E. A. Hensch und dem Titel „Phantasie aus Stahl“ stellten sie den Block ab. Als Fremdkörper entdeckt wurde das Schwergewicht durch einen Zufall. Weil sich ein Besucher beschwert habe, dass dieses Werk gar nicht im documenta-Katalog aufzufinden sei. Erst da sei das Ganze aufgeflogen, erzählen die Henschel-Veteranen. Damals berichteten jedenfalls die Hessischen Nachrichten über den Vorfall. Der Stahlblock musste entfernt werden. Es habe damals eine Geldbuße in Höhe von 100 Mark gegeben, sagt Helmut Weich, der das Henschelmuseum ehrenamtlich leitet.
Der Stahlblock steht mittlerweile im Treppenhaus des Museums, sehr zur Freude der alten Henschelaner. Deren Club-Vorsitzender Johann Brix (Jahrgang 1947) hat die Geschichte übrigens in seinem ersten Ausbildungsjahr bei Henschel mitbekommen.

Zuletzt geändert am: 28.05.2024 um 10:04

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